Lebensspuren und Lebensschätze
„Verstehen kann man das Leben nur rückwärts - leben muss man es vorwärts.“ Diese Weisheit des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie hilft, Lebenswege besser zu verstehen und unterstützt Menschen darin, die vielfältigen Schätze und Ressourcen des eigenen Lebens zu entdecken und mit ihnen Gegenwart und Zukunft lebensmutig zu gestalten.
Fast fünfzig Interessierte aus ganz Unterfranken folgten der Einladung Herbert Neders, Vorsitzender der Senioren Union in Unterfranken, und der Benediktushöhe zur Fachtagung "Lebensspuren und Lebensschätze " ins Haus für Soziale Bildung nach Retzbach, wo sie sich intensiv mit ihrer eigenen Lebensgeschichte und der Methode „Biografiearbeit“ beschäftigten. Unter der Leitung von Karin Wimmer-Billeter, Erwachsenenbildnerin beim Münchner Bildungswerk e.V., spürten die Teilnehmer ihren Erinnerungen nach und erarbeiteten sich schrittweise ihre eigene Lebensbilanz. „Vielen Menschen tut es gut, sich zu erinnern und jemanden zu haben, der ihren Erinnerungen zuhört. Denn Erzählen braucht ein Gegenüber. Beim Erinnern begreifen wir, wer wir sind, wer wir geworden sind und warum“, erläuterte Wimmer-Billeter. Bei praktischen Übungen in Gesprächskreisen wurde deutlich, dass die Erinnerungsarbeit auch für Gruppen einen wichtigen Effekt hat: „Beim Erzählen oder Vorlesen von Texten erfahren wir häufig Erstaunliches von Menschen, die wir schon lange kennen - oder zu kennen meinen. In Gruppen vervielfachen sich oft die Erinnerungen. Man spricht auch von einer Erinnerungsexplosion. Erinnerung ist eine Form der Begegnung", erläuterte die Trainerin für Biografiearbeit. Sie unterstrich dabei die Bedeutung der zeitgeschichtlichen Erfahrungen. Wir seien alle Kinder unserer Zeit, d.h. dass zeitgeschichtliche und kulturelle Prägungen Einfluss auf uns, unser Leben und unser Denken haben.
Ein bisschen historisches Handwerkszeug und Grundkenntnisse könnten für biografische Gespräche hilfreich sein, um Erzähltes besser einordnen zu können, so die Referentin. Wer zwischen 1920 - 1940 geboren sei, hätte ein Übermaß an Schrecken durch Krieg, Terror, Verfolgung, Flucht, Vertreibung, Systemwechsel und Nachkriegsnot erlebt. Für viele der Betroffenen seien diese Jahre von Verlusterfahrung und Angst geprägt gewesen. „Sich erinnern, hilft eine Lebensbilanz zu ziehen, mit dem Ziel, das eigene Leben mit allen seinen Höhen und Tiefen annehmen zu können. Was habe ich in meinem Leben geschafft, welche Fähigkeiten haben mir dabei geholfen, Probleme zu bewältigen und was möchte ich weitergeben, sei es in der Familie oder an andere Personen? Das letzte Stadium im menschlichen Lebenszyklus besteht darin Integrität zu erreichen, das was man geleistet und was man im Laufe des Lebens versäumt hat zu einer sinnvollen Geschichte zusammenzufassen, die man als seine eigene annehmen kann.“, resümierte die Trainerin.